18.01.2016

Allianzgebetswoche 2016

Die Flüchtlingskrise bildete einen Schwerpunkt

Wetzlar (idea) – Die Bitte um die Einheit der Christen und die Lage der Flüchtlinge waren zentrale Themen der diesjährigen Gebetswoche der Evangelischen Allianz. Das berichtete der Generalsekretär dieses evangelikalen Dachverbandes in Deutschland, Hartmut Steeb (Stuttgart). Nach seinen Angaben kamen zu den Zusammenkünften vom 10. bis 17. Januar in etwa 1.100 Orten rund 300.000 Christen aus Landes- und Freikirchen. Das seien etwa genauso viele wie im Vorjahr. In manchen Orten sei die Beteiligung gestiegen, in anderen zurückgegangen. Laut Steeb haben die Besucher Gott ihre Sorgen im Umgang mit Fremden und die Gewalt gegen Flüchtlinge ebenso genannt wie die erschreckenden Silvester-Ereignisse in Köln und anderen Städten. Auch die Not bedrängter christlicher Minderheiten in vielen Ländern sei häufig angesprochen worden. Die Beteiligung katholischer Christen habe weiter zugenommen. Im Abschlussgottesdienst in Ravensburg predigte beispielsweise der katholische Theologe Roland Abt vom Leitungsteam der Gemeinschaft Immanuel. Viel Zuspruch hatten auch Lobpreisabende und Gebetskonzerte wie in Marburg, wo etwa 430 Besucher zusammen mit dem Musiker Albert Frey (Forchtenberg bei Schwäbisch Hall) „beten, genießen und nachdenken“ konnten, wie die Veranstalter mitteilten. Nach Angaben der Evangelischen Allianzen in der Schweiz und in Österreich sind die Teilnehmerzahlen auch dort etwa gleich geblieben. Im deutschsprachigen Teil der Schweiz kamen rund 20.000 Christen zu den Gebetstreffen an etwa 70 Orten; in Österreich gab es 4.000 Besucher in 40 Orten.  

Für eine geistliche Erneuerung in Deutschland

Der Allianz-Vorsitzende in Deutschland, Präses Michael Diener (Kassel), sagte der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, dass sich eine Tendenz der letzten Jahre fortgesetzt habe: „Klassische Abendveranstaltungen, aber auch Gebetsspaziergänge, Gebetskonzerte, alters- und gruppenspezifische Veranstaltungen werden ebenso wahrgenommen wie das Beten an politischen Orten, an denen sich oftmals auch lokale oder regionale politische Verantwortungsträger beteiligen.“ Einen weiteren Schwerpunkt habe das Gebet „um eine geistliche Erneuerung in Deutschland, um ein mutiges Zeugnis für Christus und eine bleibende Einheit“ unter denen gebildet, die Christus nachfolgen. Christen dürften sich als Salz der Erde und Licht der Welt bewähren. Das Motto der Gebetswoche „Willkommen zu Hause“, das an das Gleichnis von der Vaterliebe Gottes anknüpfte, habe zu einer Haltung der offenen Herzen und Arme für alle fragenden und suchenden Menschen“ ermutigt. Ein Vorgänger Dieners als Allianz-Vorsitzender, Präses i. R. Peter Strauch (Wetter/Ruhr), rief bei der Schlussversammlung in Hamburg die Christen auf, „einladende und überzeugende Wegweiser zum Himmel“ zu sein. Viele Mitglieder von etablierten Kirchen und freien Gemeinden könnten die Bibel zwar im Wortlaut zitieren, hätten aber „die einzigartige Liebe und Gemeinschaft im Vaterhaus Gottes noch nie wirklich geschmeckt“. Der aus Ghana stammende Pastor Richard Aidoo (Düsseldorf), der dem Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz angehört, rief in Köln zu mehr Einigkeit unter den Christen auf: „Liebe bedeutet nicht, zu richten und zu verurteilen, sondern zu vergeben und die Gnade mächtiger werden zu lassen als die Übertretungen.“

Gottes Herrschaft in einer chaotischen Welt

Der Präsident der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), Präses Ansgar Hörsting (Witten), der in Göttingen die Schlusspredigt hielt, bezeichnete die Gebetswoche als „Zeichen der Herrschaft Gottes inmitten einer chaotischen Welt“. Sie sei eine „Feier gegen die Hoffnungslosigkeit“, weil sie zum Engagement in der Welt ermutige. Deshalb könnten Christen „zielgerichteter arbeiten, treuer glauben, intensiver beten und mehr lieben“. Beim „Allianztag“ in Frankfurt am Main zum Abschluss der dortigen Gebetswoche sagte der Tübinger Theologieprofessor Hans-Joachim Eckstein, dass Glauben bedeute, sich an Gott zu erfreuen. Dies bewirke die „Fähigkeit zur ungeschönten Wirklichkeitswahrnehmung und zur zuversichtlichen Wirklichkeitsgestaltung“. „Christen freuen sich, weil sie im Glauben die Realität wahrnehmen“, so Eckstein vor etwa 1.000 Besuchern.

Auch ein Bundestagsabgeordneter predigte

In Augsburg und Haiger-Seelbach (Mittelhessen) wirkte der Bundestagsabgeordnete Frank Heinrich (CDU) mit, der dem Allianz-Hauptvorstand angehört. Seiner Ansicht nach zeigt die Gebetswoche, dass Christen, die zusammen beten, sich häufig auch für das Wohl ihres Ortes einsetzen. Viele diakonische und missionarische Aktivitäten sowie regionale Initiativen seien nach gemeinsamen Gebetszeiten entstanden.

Malessa: Über die Flüchtlinge freuen

Der Journalist und Baptistenpastor Andreas Malessa (Hochdorf bei Stuttgart) mahnte in Hannover und Schorndorf (bei Stuttgart), den Zustrom von Flüchtlingen nicht nur als Problem zu sehen. Wie der Vater im biblischen Gleichnis, der seinen älteren Sohn zur Mitfreude ermutigt, sollten sich Christen fragen: „Hast du dich freuen können, dass eine Million Menschen nicht im Mittelmeer ertrunken sind? Warst du ehrlich erleichtert, dass zigtausend Familien nicht bei 40 Grad Sommerhitze vor dem Budapester Hauptbahnhof verdurstet sind? Hast du Gott gedankt, dass in einer historisch noch nie dagewesenen Intensität und Einmütigkeit Atheisten und Christen, Muslime und Juden, Arme und Reiche, Junge und Alte seit Monaten Seite an Seite ehrenamtlich Nothilfe leisten?“

Viele Versammlungen in Rathäusern

An zahlreichen Orten fanden Versammlungen in Rathäusern und anderen öffentlichen Gebäuden statt, beispielsweise in Bielefeld, Duisburg, Walsrode, Frankfurt am Main und Wuppertal. In Bremen trafen sich Christen erstmals mit Bürgerschaftsabgeordneten verschiedener Parteien zum Gebet für das Wohl der Stadt und die Arbeit aller Parlamentarier. In den Berliner Bezirksrathäusern von Reinickendorf und Charlottenburg nannten die Bürgermeister Frank Balzer (CDU) und Reinhard Naumann (SPD) kommunale Anliegen, insbesondere die Integration von Flüchtlingen. In Hildesheim appellierte Bürgermeister Ekkehard Palandt (CDU) an die Christen, ihr Gebet lauter werden zu lassen. In Hüttenberg bei Wetzlar versammelten sich rund 100 Kirchenmitglieder in den Räumen der Freiwilligen Feuerwehr mit etwa 20 „Kameraden“, um für den Einsatz der Rettungskräfte zu danken und um Gott um Bewahrung bei schwierigen Einsätzen zu bitten.

Bayerischer Innenminister: Christenverfolgungen nicht verschweigen

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte bei einer Kundgebung für Religionsfreiheit zum Abschluss der Gebetswoche in Nürnberg, dass die weltweite Christenverfolgung oft unterschätzt und verschwiegen werde. Vor rund 600 Teilnehmern dankte er der Evangelischen Allianz, dass sie Diskriminierung und Gewalt gegen Christen anprangere und den Bedrängten eine Stimme gebe. Die neun mittelfränkischen Dekanate der bayerischen Landeskirche hatten zur Beteiligung an der Kundgebung aufgerufen.